Hilfsverb bei zusammengesetzten Zeiten


Verben bilden im Deutschen (wie auch in anderen Sprachen) nicht alle Tempora allein mit Flexionsendungen. Einige Zeitstufen werden durch Zusammensetzungen von Partizipien des Verbs mit einem Hilfsverb gebildet. Hierbei wird nicht mehr das Verb flektiert, sondern das Hilfsverb. Das Partizip bleibt unverändert (infinite Verbform).

Beispiel: Verb arbeiten, Tempus: Perfekt

  • ich habe gearbeitet
  • du hast gearbeitet
  • er hat gearbeitet

Das Hilfsverb ist hier haben, das entsprechend Person und Numerus seine Wortform erhält. Das Partizip, in dem Kontext, in dem eine Abgrenzung der Hilfsverben voneinander relevant ist und der nachfolgend eingegrenzt wird, ist es das Partizip II oder Partizip Perfekt, ist fest.

Sein oder Nichtsein, das ist nicht die Frage

Die meisten, aber nicht alle Verben bilden zusammengesetzte Zeiten mit dem Hilfsverb haben. Es geht bei der Fragestellung nicht um Tempora der Zukunft (Hilfsverb: werden) oder Umschreibungen des Konjunktivs, sondern um das Hilfsverb bei Zeiten der Vergangenheit (Perfekt und Plusquamperfekt) und zukünftigen Vergangenheit (Futur II), wo zwei Kandidaten als Hilfsverb in Frage kommen: haben und sein.

ich habe geschrieben vs. ich bin gelaufen

Es gibt keine feste, „idiotensichere“ Regel, um zielsicher vorherzusagen, welches das richtige Hilfsverb zu einem Verb ist, aber grobe Anhaltspunkte gibt es durchaus. Erschwerend kommt jedoch hinzu, daß einige Verben beide Hilfsverben erlauben, wobei oft ein Bedeutungsunterschied eintritt.

Regel zum Erkennen des Hilfsverbs

Die Grundregel zum Erkennen des Hilfsverbs lautet:

  1. Das Hauptverb ist nicht transitiv.
  2. Das Hauptverb drückt eine Veränderung aus.

Treffen beide Prämissen zu, so ist das Hilfsverb sein, andernfalls haben.

Beispiele für das Hilfsverb sein:

  • Der Sommer wird bald vergangen sein.
  • Die Nachbarn sind in Urlaub geflogen.
  • Wir sind zum Konzert gelaufen.
  • Er ist verunglückt.
  • Dinosaurier sind ausgestorben.

Während die erste Regel noch sehr leicht auf konkrete Verben anwendbar ist, ist dies bei der zweiten nicht mehr ganz so einfach. Als Vereinfachung kann man von folgender Regel ausgehen, die zwar nicht alle möglichen Vollverben mit Hilfsverb sein, aber schon sehr viele einfängt:

Hat man ein Verb der Bewegung vor sich, so kann man davon ausgehen, daß sein als Hilfsverb zu verwenden ist.

Beispiele für Verben der Bewegung:

  • ich bin gegangen
  • du bist gekommen
  • er war gerannt

Verben der Bewegung mit und ohne Richtungsangabe

Jedoch gibt es auch hier Ausnahmen: Beim Verb schwimmen und einigen anderen Verben der Bewegung kommt es darauf an, ob eine Richtung angegeben ist oder nicht:

  • Ich habe die letzten Tage geschwommen.
  • Ich bin ans andere Ufer geschwommen.

Dies gilt noch standardsprachlich, ist aber umgangssprachlich immer mehr auf dem Rückzug. Im Wörterbuch von Deutsche Rechtschreibung.org findet dieser subtile Unterschied keine weitere Beachtung, diese Wörter werden ausschließlich mit dem Hilfsverb sein (ich bin geschwommen) verzeichnet.

Das gilt auch für Ableitungen und übertragene Bedeutungen:

  • Seine Zeit ist abgelaufen.
  • Ihm war das Lachen vergangen.
  • Er ist von der Schule geflogen.
  • Die Nachbarn sind ausgeflogen.

jedoch nich bei Wörtern, die transitiv verwendet werden (siehe Einschränkung Punkt 1)

  • überrennen: wir haben überrannt
  • unterwandern: ihr habt unterwandert
  • unterlaufen: sie haben unterlaufen
  • unterschreiten: sie haben unterschritten

Außerdem gilt Gesagtes auch für impersonale Verben, die in übertragener Bedeutung eine Bewegung ausdrücken:

  • Es hatte hereingeschneit.
  • aber: Sie waren hereingeschneit.

Der Blick ins Wörterbuch

Da grammatisches Wissen um die Regel oft weniger als lexikalisches Wissen hilft, empfiehlt sich in Zweifelsfällen ein Blick in ein Wörterbuch, z. B. das von Deutsche Rechtschreibung.org. Hier ist zu jedem Verb das Hilfsverb verzeichnet. Wegen einer (noch) gegebenen technischen Einschränkung ist leider nur die Angabe eines Hilfsverbs möglich. Wie oben erklärt, lassen einige wenige Verben beide Hilfsverben zu. Wir haben in dem Fall das gebräuchlichere verzeichnet. Verben, die Bedeutungsunterschiede erfahren, fassen wir als zwei eigenständige Lexeme auf, die jeweils einen eigenen Wörterbucheintrag erhalten. Gleiches gilt für Verben, die neben intransitiven auch transitive Formen bilden können (z. B. fahren, fliegen, landen). Auch diese Verben fassen wir als unterschiedliche, wenngleich miteinander verwandte Lexeme auf.