Starke und schwache Verben


Verben bilden im Deutschen ihre Zeitformen, wie es auch in anderen Sprachen erfolgt, nicht alle auf dieselbe Weise. Es gibt einige Verben, die einem festen System bei der Bildung folgen. Diese nennt man schwache Verben. Zugleich gibt es im Deutschen aber auch sehr viele Verben, die bei der Bildung ihrer Formen einem gelockerten System folgen. Diese Art Verben nennt man starke Verben.

Die Einteilung der Verben nimmt man anhand der Stammformen vor. Anhand der Kategoriemerkmale wird schließlich auch nachvollziehbar, was es mit dem zunächst seltsam anmutenden Gegensatzpaar stark–schwach auf sich hat.

Beispiel für ein schwaches Verb: loben

Infinitiv: lob-en

  • 1. Person Singular Präsens: (ich) lob-e
  • 2. Person Singular Präsens: (du) lob-st
  • 3. Person Singular Präsens: (er) lob-t
  • 1. Person Singular Imperfekt: (ich) lob-t-e
  • 2. Person Singular Imperfekt: (du) lob-t-e-st
  • 3. Person Singular Imperfekt: (er) lob-t-e

Partizip II: ge-lob-t

Beispiel für ein starkes Verb: nehmen

  • Infinitiv: nehm-en
  • 1. Person Singular Präsens: (ich) nehm-e
  • 2. Person Singular Präsens: (du) nimm-st
  • 3. Person Singular Präsens: (er) nimm-t

Autsch! Folgt die 1. Person beim Stamm noch dem des Infinitivs (nehm), so wandelt die 2. Person diesen bereits in einen eigenen ab (nimm).

Dies setzt sich auch in anderen Zeiten fort:

  • 1. Person Singular Imperfekt: (ich) nahm
  • 2. Person Singular Imperfekt: (du) nahm-st
  • 3. Person Singular Imperfekt: (er) nahm

Partizip II: ge-nomm-en

Man kann also sagen, die eine Sorte Verben hat genügend Kraft, den Stamm zu ändern, sie sind also stark, die andere Sorte hingegen nicht. Diese „Schwächlinge“ bezeichnet man folgerichtig als schwach.

Merkmale zum Erkennen schwacher und starker Verben

Um zu bestimmen, ob ein Verb stark oder schwach ist, muß man den Wortstamm des Infinitivs mit anderen Verbformen vergleichen, um feststzustellen, ob sich dieser ändert oder stets gleichbleibt.

Einige Verbformen bieten sich dabei ganz besonders an:

  • 2. und 3. Person Singular Präsens (du lobst vs. du nimmst, er lobt vs. er nimmt)
  • alle Personen des Imperfekts, insbesondere aber die 1. und 3. Person Singular (ich lobte vs. ich nahm, er lobte vs. er nahm)
  • Partizip II (Partizip Perfekt): gelobt vs. genommen

Weitere Mermale starker und schwacher Verben

Personalendungen im Imperfekt

Ein besonderes Merkmal der starken Verben ist, daß 1. und 3. Person Singular im Imperfekt keine Personalendungen aufweisen:

  • ich nahm
  • er nahm

Hingegen schwache Verben:

  • ich lobt-e
  • er lobt-e

Suffix beim Partizip II

Ein weiteres wichtiges Merkmal starker Verben ist, daß das Partizip II immer auf „en“ endet:

  • genomm-en
  • gefund-en
  • gesung-en
  • begriff-en

Hingegen enden schwache Verben stets auf „t“ oder „et“:

  • gelob-t
  • gestürz-t
  • geblend-et
  • erblind-et

Übereinstimmungen beim Partizip II

Übereinstimmungen bestehen beim Partizip II bei den schwachen und starken Verben in der Ausbildung des Präfix „ge“, sofern sie nicht bereits selbst ein Präfix besitzen (vgl. be-greifen bzw. er-blinden):

starke Verben:

  • ge-nommen
  • ge-funden
  • ge-sungen
  • be-griffen

schwache Verben:

  • ge-lobt
  • ge-stürzt
  • ge-blendet
  • er-blindet

Flexionsschemata starker Verben

Aus den bisherigen Ausführungen kristallisiert sich heraus, daß starke Verben die Fähigkeit besitzen, den Stammvokal zu ändern

nehmen – nahm – genommen

schwache Verben hingegen durchgängig denselben Stammvokal haben (vgl. oben)

loben – lobte – gelobt

Schaut man genauer bei den starken Verben, so finden sich Regelmäßigkeiten bei der Stammvokaländerung, die zu identifizierbaren Reihen führen. Einige wichtige sind

  • a–ie–a: blasen, blies, geblasen
  • a–u–a: erfahren, erfuhr, erfahren
  • e–a–e: sehen, sah, gesehen
  • e–a–o: brechen, brach, gebrochen
  • e–o–o: heben, hob, gehoben
  • ei–ie–ie: reiben, rieb, gerieben
  • i–a–o: beginnen, begann, begonnen
  • i–a–u: binden, band, gebunden
  • ie–o–o: biegen, bog, gebogen

Gemischte Verben

Endlich gibt es noch Mischverben, die unregelmäßige Formen aufweisen:

Beispiel für ein gemischtes Verb: erkennen

Infinitiv: erkenn-en

Präsens: keine Stammvokaländerung, regelmäßige Bildung der Personalendungen

  • 1. Person Singular Präsens: (ich) erkenn-e
  • 2. Person Singular Präsens: (du) erkenn-st
  • 3. Person Singular Präsens: (er) erkenn-t

Imperfekt: Stammvokaländerung, regelmäßige Bildung der Personalendungen

  • 1. Person Singular Imperfekt: (ich) erkann-t-e
  • 2. Person Singular Imperfekt: (du) erkann-t-e-st
  • 3. Person Singular Imperfekt: (er) erkann-t-e

Partizip II: Stammvokaländerung, regelmäßige Endung

Partizip II: erkann-t

Beispiel für ein gemischtes Verb: mögen

Infinitiv: mög-en

Präsens: Stammvokaländerung, unregelmäßige Bildung der Personalendungen

  • 1. Person Singular Präsens: (ich) mag
  • 2. Person Singular Präsens: (du) mag-st
  • 3. Person Singular Präsens: (er) mag

Imperfekt: Wortstammänderung, regelmäßige Bildung der Personalendungen

  • 1. Person Singular Imperfekt: (ich) moch-t-e
  • 2. Person Singular Imperfekt: (du) moch-t-e-st
  • 3. Person Singular Imperfekt: (er) moch-t-e

Partizip II: Wortstammänderung, regelmäßige Endung

Pertizip II: ge-moch-t

Cui bono?

Wer mit der deutschen Sprache aufwächst, bildet, zumeist ohne sich dessen bewußt zu sein, die verschiedenen Verbformen intuitiv richtig (an).

Für jemanden, der Deutsch erst in seinem späteren Leben lernt, kann die Reflexion der unterschiedlichen Verbtypen eine hervorragende Hilfe sein, einige Fallstricke des Deutschen zu umgehen, durch die er sonst leicht ins Fettnäpfchen stürzt. Man blamiert sich sehr schnell, wenn man die Sache nicht ernst „nehmt“, und muß sich nicht wundern, wenn die Kontaktanbahnung schon wieder nicht „gelingt“ ist.

Aber auch für nativ Deutschsprachige bieten einige nicht ganz so alltägliche starke Verben einige Überraschungen. Wem es bis hierher deuchte, das Thema könne ihn nicht erschrecken, den trog vielleicht seine Intuition, oder erzählt er uns gar Märchen, daß die Funken stieben. Das wiederum bewöge uns, ihm einen Kuchen zu reichen, den wir buken und dem Michel zustaken, auf daß jener sönne oder sänne, ob der Michel oder der Münchhausen aufsitzt und wer sich wohl im Heiligen Reich den größeren Schafskopf aufsetzt.